War der Erblasser Eigentümer eines landwirtschaftlichen Anwesens und handelte es sich bei dem Betrieb nicht um einen Hof im Sinne der HöfeO, richtet sich der Pflichtteilsanspruch des Ehegatten und der Abkömmlingen nach dem Verkehrswert. Allerdings hat der Erblasser die Möglichkeit, durch eine geeignete letztwillige Verfügung dafür Sorge zu tragen, dass der Pflichtteilsanspruch aus dem Ertragswert des landwirtschaftlichen Anwesens berechnet wird, der meistens deutlich niedriger ist als der Verkehrswert.
Hat der Erblasser diese Möglichkeit versäumt, stellt sich für die Pflichtteilsberechnung die Frage, wie hoch der Verkehrswert des landwirtschaftlichen Anwesens ist. Dazu gibt ein Urteil des OLG München vom 04.04.2012 (Az.: 3 U 4952/10) wertvolle Hinweise:
Abzustellen ist auf den Erlös, der erzielt worden wäre, wenn der landwirtschaftliche Betrieb zum Stichtag des Erbfalls in Geld umgesetzt worden wäre.
Sollte der Erblasser durch eine Auflage festgelegt haben, dass der Betrieb auch längere Zeit im Vermögen der Erben bleiben muss und nicht verkauft werden darf, kann hierfür kein Wertabschlag angesetzt werden. Der Grund dafür ist daran zu sehen, dass der Erblasser Pflichtteilsrechte durch Verfügungen von Todes wegen nicht beeinträchtigen kann.
Ein Wertabschlag für ein Wohnrecht oder für Altlasten eines Grundstücks kann nur vorgenommen werden, wenn der Grundbesitz des Erblassers bereits zu Lebzeiten mit einem solchen Recht zugunsten Dritter bzw. mit Altlasten belastet war. Ein Wertabschlag ist nicht zulässig, wenn der Erbe die Belastung aufgrund einer testamentarischen Bestimmung vornehmen musste.
Von dem Verkehrswert kann jedoch die Einkommensteuer abgezogen werden, die bei einer Veräußerung des landwirtschaftlichen Betriebes im Zeitpunkt des Erbfalls angefallen wäre.
Die Entscheidung des OLG München vom 04.04.2012 zeigt sehr deutlich, dass der Bestand eines landwirtschaftlichen Betriebes gefährdet sein kann, wenn der Erblasser nicht dafür Sorge trägt, dass sein landwirtschaftliches Anwesen im Erbfalls lediglich mit dem Ertragswert angesetzt wird. Jedem Hofeigentümer, dem die langfristige Erhaltung des landwirtschaftlichen Betriebes am Herzen liegt, kann nur dringend empfohlen werden, seine letztwillige Verfügung so zu gestalten, dass sich die Pflichtteilsansprüche nicht nach dem Verkehrswert, sondern nach dem deutlich geringeren Ertragswert richten.