Landwirtschaftliche Betriebe, die kein Hof im Sinne der HöfeO sind, werden im Erbfall grundsätzlich mit dem Verkehrswert bewertet. De Abfindung eines Miterben oder eines Pflichtteilsberechtigten kann dann das „Aus“ für den landwirtschaftlichen Betrieb bedeuten. Handelt es sich aber um ein Landgut und hat der Erblasser die richtigen testamentarischen Anordnungen getroffen, wird der landwirtschaftliche Betrieb nur mit dem Ertragswert bewertet, der deutlich geringer ist als der Verkehrswert.
Gerade bei kleinen Betrieben, die der Erblasser nur im Nebenerwerb geführt oder verpachtet hatte, kommt es im Erbfall oft entscheidet darauf an, ob die landwirtschaftliche Besitzung als Landgut im Sinne der §§ 2049, 2312 BGB angesehen werden kann.
In einem ganz aktuellen Urteil, in dem es darum ging, ob ein Anwesen mit einem Verkehrswert von 543.000,00 € oder aber einem gegen Null tendierenden Ertragswert anzusetzen ist, hat das Oberlandesgericht Hamm (Urteil vom 02.08.2012, 10 U 118/12) nochmals sehr genau herausgearbeitet, wann ein Landgut vorliegt und wann nicht. Im Ergebnis hat das Oberlandesgericht Hamm dem sehr kleinen Betrieb mit einer etwa 2,2 ha großen Streuobstwiese und etwa 1,2 ha Waldfläche, der im Nebenerwerb geführt wurde und dessen Erträge gerade einmal ausreichten, um die Wasserkosten der Besitzung zu erwirtschaften, die Landguteigenschaft versagt. Das war gewiss richtig. Weil das Urteil sehr klar herausstellt, wann die Landguteigenschaft gegeben ist und wann nicht mehr von einem Landgut gesprochen werden kann, gebe ich nachfolgend die wichtigsten Aussagen des Urteils teilweise wörtlich wieder:
Ein „Landgut“ ist eine Besitzung, die eine zum selbstständigen und dauerhaften Betrieb der Landwirtschaft einschließlich der Viehzucht oder der Forstwirtschaft geeignete und bestimmte Wirtschaftseinheit darstellt und mit den nötigen Wohn- und Wirtschaftsgebäuden versehen ist. Sie muss eine gewisse Größe erreichen und für den Inhaber eine selbständige Nahrungsquelle darstellen; dass eine Ackernahrung (die Ernährung für eine Familie) vorliegt, ist nicht erforderlich. Wenn der Betrieb nur zu einem erheblichen Teil zum Lebensunterhalt des Inhabers beiträgt, kann der Betrieb auch nebenberuflich geführt werden. Dabei spielt keine Rolle, ob die Besitzung in der Höferolle gelöscht wurde. Die für einen Hof im Sinne der HöfeO vorausgesetzte Mindestertragskraft braucht ein Landgut nicht zu haben.
All diese Merkmale müssen im Zeitpunkt des Erbfalls gegeben sein. Es ist nicht erforderlich, dass der Erblasser den Betrieb im Zeitpunkt des Erbfalls aktiv bewirtschaftet hatte. Es reicht aus, wenn der Betrieb geeignet ist, in Zukunft bewirtschaftet zu werden und wenn die begründete Erwartung besteht, dass ein stillgelegter Betrieb durch den Eigentümer oder den Abkömmling wieder aufgenommen wird.
Das OLG Hamm äußert sich unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshof auch zu der Frage, wann Landwirtschaft vorliegt: Unter Landwirtschaft ist eine Bodenbewirtschaftung oder ein mit Bodennutzung verbundene Tierhaltung zu verstehen. Darunter fällt auch der Weinbau oder der Erwerbsobstanbau. Eine Pferdepension mit Versorgung der Tiere insbesondere aus zugekauften Futtermitteln ist keine landwirtschaftliche Nutzung.
Im konkreten Fall, über den das OLG Hamm zu befinden hatte, bestand das Inventar aus zwei Schleppern (Baujahr 1965 und 1973), einem Pferdeanhänger, einem Musikanhänger und vier landwirtschaftlichen Anhängern, drei davon defekt, sowie zwei Pferden. Das und die Tatsache, dass die Familie durch die Obsternte, die Nussernte sowie den Verkauf von kompostiertem Pferdemist und Holz Einnahmen erzielte, genügte dem Oberlandesgericht nicht, um die Leistungsfähigkeit der Besitzung zu bejahen. In dieser Einschätzung sah sich das Gericht auch deshalb bestätigt, weil der Erbe, der sich auf die Landguteigenschaft berief, nicht zur Überzeugung des Gerichts darstellen konnte, er werde den Betrieb wieder aufnehmen, umgestalten und wirtschaftliche Erfolge erzielen.
Das Fazit auch dieser Entscheidung besteht darin, dass ein Erblasser, der dafür sorgen will, dass eine (ehemalige) landwirtschaftliche Besitzung im Verhältnis zwischen den Erben und den Pflichtteilsberechtigten nicht mit dem Verkehrswert, sondern mit dem deutlich geringeren und existenzsichernden Ertragswert bewertet werden soll, eine geeignete testamentarische Verfügung und lebzeitig geeignete Maßnahmen treffen muss, damit die (ehemals) landwirtschaftliche Besitzung im Erbfall als Landgut angesehen werden kann.