Verpflichtung zur elektronischen Einzeltierkennzeichnung von Schafen und Ziegen ist rechtsgültig

 Mit Urteil vom 17.10.2013  stellt der  Europäische Gerichtshof (EuGH) fest, dass die Verpflichtungen für Schaf- und Ziegenhalter, ihre Tiere individuell elektronisch zu kennzeichnen und ein Bestandsregister zu führen, weder gegen die unternehmerische Freiheit noch gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen (Az: C-101/12, Schaible).

Bis zu dem schweren Ausbruch der Maul- und Klauenseuche im Jahr 2001 mussten die Schaf- und Ziegenhalter ihre Tiere lediglich mit einer Ohrmarke oder einer Tätowierung versehen, die die Zuordnung zu ihrem Betrieb ermöglichte. Zudem mussten sie ein Register mit Angaben über die Gesamtzahl der in jedem Jahr in ihrem Betrieb vorhandenen Schafe und Ziegen führen1. Während dieser Tierseuche mussten wegen nicht gekennzeichneter Schafe und fehlender Rückverfolgbarkeit systematische Schlachtungen von mehreren Millionen Tieren durchgeführt werden, nur um danach festzustellen, dass viele von ihnen nicht infiziert waren. Innerhalb der Union wurden verschiedene Beschränkungen und weltweit ein Verbot jeglicher Ausfuhr von Vieh, Fleisch und tierischen Erzeugnissen aus dem Vereinigten Königreich erlassen.

Um derartigen Tierseuchen besser vorzubeugen und das Funktionieren des Handels mit Schafen und Ziegen zwischen den Mitgliedstaaten zu verbessern, hatte der Unionsgesetzgeber ein neues System eingeführt2, wonach jedes Tier individuell durch zwei Kennzeichen gekennzeichnet werden muss, nämlich einer herkömmlichen Ohrmarke und einer elektronischen Vorrichtung. Letztere kann in einer elektronischen Ohrmarke, einem Bolustransponder, einem elektronischen Transponder oder einem elektronischen Kennzeichen an der Fessel bestehen. Die Identität jedes einzelnen Tiers muss in einem Bestandsregister vermerkt werden. Außerdem sind die Bewegungen der aus dem Betrieb abgehenden Tiere in einem Begleitdokument aufzuzeichnen. Ferner hat jeder Mitgliedstaat ein zentrales Register oder eine elektronische Datenbank zur Erfassung aller in seinem Hoheitsgebiet ansässigen Betriebe anzulegen und in regelmäßigen Abständen den Bestand der in diesen Betrieben gehaltenen Tiere zu ermitteln. 

Ein deutscher Schafhalter mit 450 Mutterschafen hatte beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage auf Feststellung erhoben, dass er weder der Verpflichtung zur Einzeltierkennzeichnung und zur elektronischen Einzeltierkennzeichnung noch der Verpflichtung zur Führung eines Bestandsregisters unterliegt. In diesem Zusammenhang hat das Verwaltungsgericht den Gerichtshof ersucht, zu prüfen, ob diese Verpflichtungen gültig sind oder ob sie gegen die unternehmerische Freiheit und den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen.

Mit der Entscheidung vom 17.10.2013 stellte der EuGH fest, dass diese Verpflichtungen nicht zu beanstanden sind.

Zwar können diese Verpflichtungen die unternehmerische Freiheit einschränken. Sie seien sind jedoch durch im Allgemeininteresse liegende legitime Ziele wie die des Gesundheitsschutzes, der Bekämpfung von Tierseuchen, des Wohlbefindens der Tiere und der Vollendung des Binnenmarkts für den Handel mit diesen Tieren gerechtfertigt.

Da sie die Rückverfolgbarkeit der einzelnen Tiere vereinfachen und damit im Fall von Tierseuchen den zuständigen Behörden ermöglichen, die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um die Verbreitung ansteckender Krankheiten bei Schafen und Ziegen zu verhindern, sind sie geeignet und erforderlich, um die genannten Ziele zu erreichen.

Zudem sind diese Verpflichtungen nicht unverhältnismäßig. In Bezug auf die finanziellen Belastungen, die sich aus ihnen für die Tierhalter ergeben, weist der Gerichtshof auf mehrere Umstände hin, die zu berücksichtigen sind, nämlich, dass (1) diese Belastungen geringer sein können als die Kosten nichtselektiver Maßnahmen wie ein Transportverbot oder die Präventivschlachtung des gesamten Viehbestands bei einem Seuchenausbruch, (2) das neue System mehrere Ausnahmen vorsieht, (3) die Verpflichtung zur elektronischen Kennzeichnung nur schrittweise eingeführt wurde und (4) die Tierhalter die Möglichkeit haben, eine finanzielle Beihilfe zu erhalten, um einen Teil der mit der Einführung des Systems verbundenen zusätzlichen Kosten auszugleichen. Was das Wohlbefinden der Tiere betrifft, sind die Tatsache, dass zwei Kennzeichen anstelle eines einzigen an den Tieren angebracht werden müssen, und der Umstand, dass die neuen Kennzeichen statistisch mehr Verletzungen und Komplikationen hervorrufen als die herkömmlichen, nicht geeignet, zu beweisen, dass die Bewertung des Unionsgesetzgebers in Bezug auf die Vorteile der Einführung der Verpflichtung zur elektronischen Kennzeichnung fehlerhaft gewesen wäre. Darüber hinaus trägt das neue System dadurch, dass es die Bekämpfung von Tierseuchen erleichtert und damit die Infizierung von Tieren verhindert, positiv zum Schutz des Wohlbefindens der Tiere bei.

Schließlich werden durch dieses System auch nicht die Schaf- und Ziegenhalter gegenüber Rinder- und Schweinehaltern diskriminiert, die nicht denselben Verpflichtungen unterliegen. Trotz einiger Ähnlichkeiten zwischen diesen verschiedenen Säugetierarten bestehen nämlich Unterschiede, die einen eigenen Regelungsrahmen für jede Tierart rechtfertigen. 

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