Viele Hofanwärter – und keiner wirtschaftsfähig

Wer einen Hof im Sinne der Höfeordnung erben oder übernehmen will, muss wirtschaftsfähig sein. Das gilt auch für den, der die Hofnachfolge als Hofnacherbe antreten will. Das Oberlandesgericht Hamm hat in einem Beschluss vom 11.10.2013 (Az: 10 W 26/13) gleich vier Verwandten, die sich alle für wirtschaftsfähig hielten, die Wirtschaftsfähigkeit und damit die Hofnachfolge abgesprochen.

Zunächst stellt das Oberlandesgericht nochmals klar, dass die Wirtschaftsfähigkeit schon im Zeitpunkt des Erbfalls bzw. im Zeitpunkt des Eintritts des Nacherbfalls und nicht etwas zu einem späteren Zeitpunkt wie etwas der Gerichtsverhandlung des Landwirtschaftsgerichts gegeben sein muss. Denn ein Hoferbe muss aus Gründen der Rechtssicherheit bereits im Zeitpunkt des Erbfalls bestimmbar sein und nicht erst danach.

Die Voraussetzungen der Wirtschaftsfähigkeit erläutert das OLG wie folgt:  Wirtschaftsfähig ist derjenige, der nach  seinen körperlichen und geistigen Fähigkeiten, nach seinen Kenntnissen und seiner Persönlichkeit in der Lage ist, den von ihm zu übernehmenden Hof selbständig ordnungsgemäß zu bewirtschaften. Abzustellen ist  auf die Art und Struktur der Bewirtschaftung des zu übernehmenden Hofes. Dabei sind zunächst die landwirtschaftlich-technischen Fähigkeiten zu berücksichtigen, die erforderlich sind, um einen solchen Betrieb ordnungsgemäß zu bewirtschaften (wie Einhaltung der Fruchtfolge, ordnungsgemäße Feldbestellung, rechtzeitige Einbringung und Lagerung der Ernte, etc.). Dazu müssen organisatorisch-kalkulatorische Fähigkeiten des Hoferben treten. Hierbei geht es um die  „finanzielle“ Wirtschaftsfähigkeit des Anwärters, das heißt, wie  Einnahmen für betriebliche und private Zwecke im Verhältnis zu den Betriebseinnahmen zu bringen sind, laufende Verbindlichkeiten beglichen werden, Wirtschaftspläne aufgestellt und gebotene Investitionsentscheidungen getroffen werden. Zudem muss ein Hofanwärter den Hof jederzeit in Eigenbewirtschaftung übernehmen können. Das heißt,  allein die Fähigkeit, für eine Verpachtung der Ländereien zu sorgen und die Rechte und Pflichten eines Verpächters wahrzunehmen, reicht für die Wirtschaftsfähigkeit nicht aus. Das gilt auch für einen kleineren landwirtschaftlichen Besitz, der nach heutigen Kriterien nur im Nebenerwerb wirtschaftlich sinnvoll zu führen ist.

Bei allen Hofanwärtern aus dem Verwandtenkreis des Erblassers hat der Landwirtschaftssenat die Wirtschaftsfähigkeit verneint:

Die Hofanwärterin Nr. 1 stand  kurz vor der Vollendung ihre 77. Lebensjahres. Sie war zwar auf dem elterlichen Hof aufgewachsen und hat dort bis zu ihrem Wegzug vor fast 50 Jahren auch mitgeholfen. Danach hatte sie aber jeden Bezug zur Landwirtschaft verloren. So hatte sie keine landwirtschaftliche Ausbildung vorzuweisen und war Zeit ihres Lebens nicht mehr in der Landwirtschaft tätig. Damit waren bei ihr weder die Voraussetzungen einer Wirtschaftsfähigkeit festzustellen, noch bestand überhaupt ein Wille zur Übernahme des landwirtschaftlichen Betriebes.

Die Hofanwärterin Nr. 2, ihre Schwester, war 70 Jahre alt war. Ihr einzige Bezug zur Landwirtschaft bestand darin, dass sie auf dem elterlichen Hof aufgewachsen ist. Danach hatte sie einen landwirtschaftsfremden Beruf im kaufmännischen Bereich gewählt. Damit fehlten auch bei ihr sämtliche Voraussetzungen zur eigenständigen Führung eines  landwirtschaftlichen Betriebes, unabhängig davon, dass auch kein Wille zur Aufnahme einer solchen neuen Berufstätigkeit festzustellen war.

Die Hofanwärterin Nr. 3 war 31 Jahre alt. Sie war nicht in einem landwirtschaftlichen Betrieb aufgewachsen, sondern im elterlichen Pensionsbetrieb und hatte sich als Hotelbetriebswirtin ausbilden lassen. Ein Bezug zur Landwirtschaft hatte nicht. Allerdings hatte sich sich, als die unheilbare Erkrankung des Erblassers bekannt wurde, um Kurse bei der Landwirtschaftskammer bemüht und ein 4-wöchiges Praktikum absolviert. Dann tat der Erbfall ein. Danach absolvierte sie noch einen Lehrgang zur Agrar-Bürokauffrau. Es war offensichtlich, dass sie sich vor dem Nacherbfall in erster Linie  wegen des damals bevorstehenden Erbfalls  für den Erwerb landwirtschaftlichen Wissens interessierte.

All das reichte dem Oberlandesgericht nicht aus, um die Wirtschaftsfähigkeit im Zeitpunkt des Erbfalls zu bescheinigen. Das vor dem Erbfall erworbene Wissen konnte nur als ein erstes Kennenlernen der landwirtschaftlichen Besonderheiten gewertet werden, nicht aber als Erwerb von Grundwissen für die selbständige Leitung eines Hofbetriebes. Auch ein nach dem Erbfall von einem landwirtschaftlichen Unternehmensberater erstelltes Betriebskonzept half ihr nicht weiter.

Hofanwärter Nr. 4, ein Sohn der Hofanwärterin Nr. 3, war gerade einmal 4 Monate als. Hier war die Besonderheit zu berücksichtigen, dass einem Kind nicht wegen mangelnder Altersreife  die Wirtschaftsfähigkeit abgesprochen werden darf. Das bedeutet allerdings, dass die fehlende Altersreife bei einem Kind der alleinige Grund für die Wirtschaftsunfähigkeit ist und für den Zeitpunkt des Hoferbfalls die Prognose zu stellen ist, dass der Minderjährige nach Neigung und Einfluss der Umwelt die Annahme rechtfertigt, dass er in den landwirtschaftlichen Beruf hineinwachsen  werde. Das ist nicht der Fall, wenn das Kind nach den gegebenen Verhältnissen in einer Umwelt aufwachsen wird, die es den Weg in die  Landwirtschaft aller Wahrscheinlichkeit nicht finden lassen wird. Diese für § 6 V HöfeO erforderliche positive Prognose konnte der Senat nicht geben, da das familiäre Umfeld des Kindes, dessen Vater in dritter Generation eine Möbelschreinerei betrieb,  ein künftiges Hineinwachsen des Kindes in einen landwirtschaftlichen Beruf nicht wahrscheinlich erscheinen ließ.

Zu guter letzt ging das Erbe an die Familie der Ehefrau.

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