Mit dieser Frage musste sich das OLG Hamm in einem Urteil vom 30.01.2014 befassen (Az.: 10 U 80/12): Es ging um eine landwirtschaftliche Besitzung, deren Bewirtschaftung der Erblasser mehr als 12 Jahre vor seinem Tod aufgegeben hatte. Die Flächen verpachtete er seinem Schwiegersohn. Die Tochter sollte Erbe sein. In seinem Testament hatte der Erblasser zum Ausdruck gebracht, dass eine Vererbung als Landgut erfolgen sollte. Dann wird bei der Pflichtteilsberechnung der anderen Abkömmlinge die landwirtschaftliche Besitzung mit dem sehr niedrigen Ertragswert und nicht mit dem Verkehrswert angesetzt. Dagegen wandte sich die andere Tochter, die ihren Pflichtteilsanspruch aus dem Verkehrswert der landwirtschaftlichen Flächen berechnet wissen wollte.
Das Oberlandesgericht Hamm nahm den Fall zum Anlass, grundlegende Ausführungen zu machen, wann ein Landgut vorliegt. Dabei hebt es zunächst hervor, dass der Erbe, der sich auf das Landguterbrecht berufen kann, eine bedeutende Begünstigung gegenüber den Miterben erhält. Dem steht eine Benachteiligung der zurückgesetzten Angehörigen gegenüber. Diese Ungleichbehandlung, so das Oberlandesgericht Hamm, bedarf der Rechtfertigung. Diese Rechtfertigung liegt im Bereich des öffentlichen Interesses an der Erhaltung leistungsfähiger Höfe in bäuerlichen Familien. Eine solche Rechtfertigung ist nach Auffassung des Oberlandesgerichts Hamm nicht gegeben, wo ein Landgut nicht als geschlossene Einheit fortgeführt wird und nicht mehr lebensfähig ist oder wo ein Betrieb zwar noch bewirtschaftet wird, aber abzusehen ist, dass er binnen kurzem nicht mehr als solcher wird gehalten werden können.
Das OLG Hamm stellt nochmals klar, dass unter einem Landgut eine Besitzung zu verstehen ist, die eine zum selbstständigen und dauernden Betrieb der Landwirt-schaft einschließlich der Viehzucht oder der Forstwirtschaft geeignete und bestimmte Wirtschaftseinheit darstellt und mit den nötigen Wohn- und Wirtschaftsgebäuden versehen ist. Sie muss eine gewisse Größe erreichen und für den Inhaber eine selbstständige Nahrungsquelle darstellen. Der Betrieb kann auch nebenberuflich geführt werden, wenn er nur zu einem erheblichen Teil zum Lebensunterhalt seines Inhabers beiträgt. Außerdem ist es erforderlich, dass die begründete Erwartung besteht, dass der Betrieb durch den Erben oder einen Abkömmling weitergeführt oder – wo die Bewirtschaftung aufgegeben ist – diese künftig wieder aufgenommen wird.
Das Oberlandesgericht betont, dass es nicht ausreicht, dass die fragliche Besitzung am Stichtag des Erbfalls zum selbstständigen Betrieb der Landwirtschaft geeignet ist. Hinzu kommen muss die Bestimmung als selbstständige landwirtschaftliche Einheit. Daran fehlt es, wenn die landwirtschaftliche Besitzung des Erblassers einem anderen landwirtschaftlichen Betrieb derart zugeordnet ist, dass die Bewirtschaftung ausschließlich von einem anderen Hof aus erfolgt und eine Änderung der Bewirtschaftung mit dem Ziel einer eigenständigen Bewirtschaftung des zugeordneten Besitzes nicht beabsichtigt ist.
Im Streitfall hatte der Schwiegersohn die landwirtschaftlichen Flächen von seinem eigenen Betrieb aus bewirtschaftet. Es gab keine Anhaltspunkte, dass der vererbte landwirtschaftliche Grundbesitz nebst Gebäuden jemals eigenständig bewirtschaftet werden würde. Das bewog das Oberlandesgericht dazu, die Landguteigenschaft zu verneinen. Deshalb wurde der Pflichtteil der Tochter, die der Erblasser nicht mehr bedenken wollte, aus dem Verkehrswert der früheren landwirtschaftlichen Besitzung und nicht aus dem niedrigerem Ertragswert berechnet.