Zettel-Wirtschaft: Zweifel am Vorliegen eines ernstlichen Testierwillens

Das Oberlandesgericht Hamm kam im Beschluss vom 27.11.2015 (Az.: 10 W 153/15) zu dem Ergebnis, dass Zweifel am Vorliegen eines ernsthaften Testierwillens bestehen können, wenn ein vermeintliches Testament nicht auf einer üblichen Schreibunterlagen, sondern auf einem ausgeschnittenen Stück Papier oder einem zusammengefalteten Bogen Pergamentpapier errichtet worden ist. Zusätzliche Zweifel können sich nach Auffassung des Gerichts auch aus der äußeren und inhaltlichen Gestaltung oder aber der Aufbewahrung an einem für Testamente eher ungewöhnlichen Ort ergeben.

Eine im Juli 2013 im Alter von 102 Jahren verstorbene, verwitwete Erblasserin war Eigentümerin eines Hausgrundstückes. Sie hinterließ eine Tochter und vier Enkel. Die Enkel legten im April 2014 zwei Schriftstücke aus dem Jahre 1986 vor. Bei den Schriftstücken handelte es sich um einen ca. 8 cm x 10 cm großen, per Hand zugeschnittenen Zettel mit nebenstehender handschriftlicher Aufschrift. Unter dieser folgten die Angaben 1986 und ein Schriftzug mit dem Namen der Erblasserin. Bei dem zweiten Schriftstück, einem mehrfach gefalteten Stück Pergamentpapier, finden sich die gleichen Worte in leicht abgewandelter Anordnung. Aufgrund der vorgefundenen Schriftstücke beantragten die Enkel einen Erbschein, der alle vier Enkelkinder als Miterben ausweisen sollte. Der Erbscheinantrag blieb erfolglos. Nach Ansicht des Oberlandesgerichts Hamm könne bereits nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden, dass es sich bei den beiden Schriftstücken um letztwillige Verfügungen der Erblasserin handelte.

Die Errichtung eines Testaments setzt einen ernstlichen Testierwillen des Erblassers voraus. Er muss nach Auffassung des OLG Hamm eine rechtsverbindliche Anordnung für seinen Todesfall treffen wollen, bloße Entwürfe eines Testamentes reichen nicht aus. Im Streitfall bestünden Zweifel am ernstlichen Testierwillen der Erblasserin. Erhebliche Zweifel folgten schon aus dem Umstand, dass die vermeintlichen Testamente nicht auf einer üblichen Schreibunterlage, sondern auf einem ausgeschnittenen Stück Papier und einem gefalteten Bogen Pergamentpapier geschrieben worden seien. Des Weiteren sei die äußere und die inhaltliche Gestaltung des Testaments ebenfalls fraglich. Die Überschrift enthalte gravierende Schreibfehler, im Text fehle ein vollständiger Satz. Dabei sei die Erblasserin der deutschen Sprache in Schrift und Grammatik hinreichend mächtig gewesen. Gegen das Vorlegen von Testamenten spräche zudem der Umstand, dass beide Schriftstücke auf das Jahr 1986 datiert seien. Ein Grund für die Errichtung von zwei nahezu inhaltlich identischen Testamenten innerhalb eines Jahres sei nicht ersichtlich. Das Vorliegen zweier inhaltlich ähnlicher Schriftstücke auf ungewöhnliche Schreibunterlagen spreche vielmehr dafür, dass es sich lediglich um schriftlich dokumentierte Vorüberlegungen oder Entwürfe handele. Schließlich seien die Schriftstücke mit diversen wichtigen und unwichtigen Unterlagen untergeordnet in einer Schatulle aufgefunden worden. Auch dies lasse nicht notwendig auf einen ersthaften Testierwillen beim Verfasser der Schriftstücke schließen.

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