Zukünftig Rente ohne Verpflichtung zur Hofabgabe?

Die Pflicht zur Hofabgabe wird verfassungswidrig, wenn durch diese in unzumutbarer Weise Einkünfte entzogen werden, die zur Ergänzung einer als Teilsicherung ausgestalteten Rente notwendig sind. Dies entschied das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) jüngst mit Beschluss vom 23.05.2018, Az.: 1 BvR 97/14, 1 BvR 97/14 und 1 BvR 2392/14.

Nach Ansicht des BVerfG greift die Kopplung einer Rente an die Abgabe eines landwirtschaftlichen Hofes faktisch in die Eigentumsfreiheit des Art. 14 GG ein. Darüber hinaus darf die Gewährung einer Rente an den einen Ehepartner nicht von der Entscheidung des anderen Ehepartners über die Abgabe des Hofes abhängig gemacht werden. Mit dieser Begründung hat der 1. Senat des BVerfG mit seinem am 09.08.2018 veröffentlichen Beschluss die einschlägigen Vorschriften des Alterssicherungsgesetzes für verfassungswidrig erklärt und damit den Verfassungsbeschwerden eines Landwirtes als auch der Ehefrau eines Landwirtes stattgegeben.

Nach dem Alterssicherungsgesetz der Landwirte ist die Abgabe des landwirtschaftlichen Betriebes gem. § 21 ALG Voraussetzung für die Rentengewährung. In den vom BVerfG zu entscheidenden Fällen war zwei Bäuerinnen die Rente nicht bewilligt worden, weil ihre Männer bereits die Regelaltersgrenze erreicht hatten und den Hof nicht i.S.d. Alterssicherungsgesetzes ordnungsgemäß abgeben hatten. In einem weiteren Fall bekam ein Landwirt seine Rente nicht, weil er im Rentenalter mehr landwirtschaftliche Fläche bewirtschaftete, als das ALG als vorgesehen Flächenhöchstmenge für abgebende Landwirt vorsah.

Im Falle des Landwirts, der die Mindestrückbehaltsflächengröße überschritten hatte, führte das BVerfG aus, dass die Verpflichtung zur Hofabgabe grundsätzlich keine Enteignung sei, sondern eine Inhalts- und Schrankenbestimmung i.S.d. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG. Insofern habe sie dem Verhältnismäßigkeitsprinzip zu entsprechen. Die Hofabgabe sei jedoch nicht in allen Fällen zumutbar.

Das Erfordernis der Hofabgabe als Voraussetzung eines Rentenanspruchs erfülle derzeit nicht mehr die Grenze der Zumutbarkeit, da das Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte keine Härtefallregelung für die Hofabgabe vorsehe. Ein Härtefall entstehe dann, wenn der abgabewillige Landwirt keinen zur Hofübernahme bereiten Hofnachfolger findet. In diesem Fall könne die Abgabe nur in einer Form vollzogen werden, die keine weitere Einkommenserzielung ermögliche, also durch Unmöglichmachen der landwirtschaftlichen Nutzung, Stilllegung, Aufgabe des Fischereiausübungsrechtes, Aufgabe des Unternehmens der Imkerei oder Wanderschäferrei oder Aufforstung. In diesem Fall fehle ein Kaufpreis oder Pachtzins zur Sicherung des Alters. Die Hofabgabepflicht werde für den Landwirt unzumutbar. Des weiteren entstehe ein Härtefall, wenn das landwirtschaftliche Unternehmen abgegeben werden könne, jedoch die so erzielten Einkünfte in Ergänzung der Rente einen Lebensunterhalt nicht sicherstellten. In einem solchen Fall wäre die Pflicht zur Hofabgabe unzumutbar, denn der abgebende Landwirt sei zur Erlangung der Rente gezwungen, seine andere Finanzquelle für das Alter aufzugeben oder zu reduzieren, obwohl seine Rente nur als Teilsicherung angelegt sei und die Einkünfte aus dem abgegebenen Hof dies nicht angemessen ergänzen.

Die Beschlüsse des BVerfG eröffnen neue Möglichkeiten für die landwirtschaftliche Rentengewährung. Eine vollständige Abgabe des landwirtschaftlichen Betriebes wird zukünftige nicht mehr automatisiert gefordert werden können.

 

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