Keine Pachtflächen für ganzjährige Beweidung

Eine Gemeinde kann willkürlich den Abschluss eines Pachtvertrages mit einem Landwirt ablehnen, wenn dieser – anders als die anderen ortsansässigen Landwirte – eine ganzjährige Beweidung der Pachtfläche mit winterharten Rindern ohne Stallhaltung betreibt und von seinen sehr verstreut gelegenen Weiden immer wieder Rinder ausbrechen, so das OLG Frankfurt a.M. in seinem Urteil vom 08.11.2018, Az.: 20 U 8/15.

Eine Gemeinde hatte seit mehreren Jahren keine schriftlichen Pachtverträge mit ihren Nutzern abgeschlossen und im Rahmen der Digitalisierung ihrer Pachtflächen und der Verschriftlichung der Pachtverhältnisse auch den beklagten Landwirt, der eine Rinderzucht betrieb und die Flächen seit mehreren Jahren nutzte, angeschrieben und zum Abschluss des von ihr vorgefertigten schriftlichen Pachtvertrages aufgefordert. Der beklagte Landwirt sandte die ihm übersandten Pachtverträge nicht zurück und nutzte die Flächen weiterhin. Zur Begründung führte er aus, es sei seit längerer Zeit ein mündlich bzw. konkludent abgeschlossener Pachtvertrag vorhanden. Pachtzinszahlungen zwischen den Parteien sind nicht geflossen. Der Versuch des beklagten Landwirts, einmalig einen Pachtzins zu zahlen, schlug fehl, da ihn die Gemeinde zurücküberwies.

Die Gemeinde verklagte den Landwirt auf Unterlassung der landwirtschaftlichen oder sonstigen Nutzung und machte geltend, der Landwirt sei zur Nutzung der Grundstücke nicht berechtigt, da kein formwirksamer Pachtvertrag existiere.

Der beklagte Landwirt trat der Klage entgegen und machte geltend, dass durch die wirtschaftliche Nutzung der Grundstücke zum Wohle der Gemeinde und dass durch die Beweidung, Dünnung und Bewirtschaftung unter Aufwendung seiner Arbeitskraft ein Pachtvertrag zustande gekommen sei. Die Leistungen, die er auf den Flächen erbringe, seien ein Erfüllungssurrogat und ersetzten den Pachtzins.

Das zuständige Amtsgericht gab der klagenden Gemeinde Recht und verurteilte den Beklagten zur Unterlassung der landwirtschaftlichen und sonstigen Nutzung der gemeindlichen Grundstücke. Gegen das erstinstanzliche Urteil legte der Landwirt Berufung ein.

Im Berufungsverfahren machte er erneut geltend, dass zwischen ihm und der Gemeinde seit Jahren ein Pachtverhältnis konkludent bestehe. Darüber hinaus stelle eine etwaige Kündigung der Fläche ein unbillige Härte dar. Im Unterschied zu anderen herkömmlichen Rinderzüchtern nutze er keine Stallungen und sei daher auf die streitgegenständlichen Flächen zur Aufrechterhaltung seines Biorinderzuchtbetriebes angewiesen. Dem hielt die klagende Gemeinde entgegen, dass bzgl. der streitgegenständlichen Flächen kein Pachtvertrag vorläge. Wenn der Landwirt Grundstücke der Gemeinde ohne schriftlichen Pachtvertrag genutzt habe, sei dies ohne Wissen der Gemeinde geschehen und könne allenfalls als unwissentliche Duldung oder Hinnahme gewertet werden. Im Übrigen habe die Gemeinde den Beschluss gefasst, dem Landwirt keine Pachtflächen mehr zur Verfügung zu stellen. Denn es sei durch die Art der Viehhaltung in den letzten zwei bis drei Jahren zu massiven Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gekommen. Immer wieder seien Tiere des Landwirts aus völlig unzureichend eingefriedeten Koppeln ausgebrochen und hätten gefährliche Verkehrssituationen und Personenschäden auf Sportplätzen, Wegen und Spielplätzen verursacht. Die Polizei habe mehrfach Vorfälle aufgelistet. Es sei vermehrt zu Beschwerden von Bürgern und privaten Grundstückseigentümern gekommen.

Das OLG Frankfurt a.M. wies die Berufung des Landwirts zurück und stellte fest, dass dem Landwirt ein Anspruch auf Nutzung der streitgegenständlichen Grundstücke aufgrund eines Landpachtvertrages nach den §§ 585, 581 Abs. 1 BGB nicht zustehe. Ein schriftlicher Pachtvertrag über die streitgegenständlichen Flächen existiere nicht. Auch könne nicht vom Vorliegen eines konkludent abgeschlossenen Pachtvertrages ausgegangen werden. Es fehle letztlich an der für einen Pachtvertrag erforderlichen Gegenleistung. Nach §§ 581 Abs. 1 S. 2, 585 Abs. 2, 587 BGB gehöre es zum Wesen eines Landpachtvertrages, dass der Pächter als Gegenleistung ein Entgelt in Gestalt der Pachtzinszahlung erbringt. Da ein Landpachtvertrag nicht zustande gekommen sei, scheide auch ein Landpachtfortsetzungsanspruch nach § 595 BGB aus. Der Landwirt könne ein Recht auch nicht aus einer Leihe gem. §§ 598 ff BGB ableiten. Unabhängig davon, ob in der Vergangenheit eine vertragliche Vereinbarung existiert habe, habe mangels Festlegung einer konkreten Nutzungsdauer gem. § 604 Abs. 3 BGB die Möglichkeit bestanden, das Leihverhältnis jederzeit zu beenden.

Ein Nutzungsrecht des Landwirts ergebe sich auch nicht aus einem Gewohnheitsrecht. Für ein solches Gewohnheitsrecht mit örtliche begrenztem Geltungsbereich, welches auf einer lang andauernden und allgemeinen Übung beruhe, fehle es hier an einer allgemeinen Praxis, den ortsansässigen Landwirten die Flächen unentgeltlich, gewohnheitsrechtlich zu überlassen. Des Weiteren stelle auch die wiederholte und gerade in den letzten Jahren vermehrt auftretende Situation, dass immer wieder Tiere des Landwirts aus schlecht eingezäunten Grundstücken entwichen sind, einen sachlichen Grund dar, von einer Neuverpachtung von Flächen an den Landwirt Abstand zu nehmen. Es liege auf der Hand, das derartige Ausbrüche von Weidetieren mit erheblichen Gefahren sowohl für den Straßenverkehr als auch für Fußgänger und spielende Kinder verbunden sein. Hinzu kämen Beeinträchtigung für die den Weideflächen benachbarten Grundstücke und sonstige Beschädigungen durch die entwichenen Tiere.

Ferner habe das Gericht unter Heranziehung des landwirtschaftlichen Sachverstandes der ehrenamtlichen Richter den Eindruck gewonnen, dass eine ordnungsgemäße und sichere Einzäunung der sehr verstreut gelegenen und jeweils wechselnden beweideten Flächen des Landwirts einen ganz erheblichen Zeitaufwand erfordert, der mit der geringen persönlichen Ausstattung des Landwirts auf Dauer nicht geleistet werden könne.

Wünschen Sie weitere Informationen?

Dieser Beitrag wurde unter Agrarrecht veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.