Auch ein nur wenige Zentimeter großer handschriftlich beschriebener Notizzettel kann ein wirksames Testament darstellen, sofern außer Zweifel steht, dass der Erblasser beim Beschriften des Zettels mit dem notwendigen Testierwillen gehandelt hat, aus dem Schriftstück der Zeitpunkt der Errichtung hervorgeht und die Person des eingesetzten Erben eindeutig bestimmbar ist. Dies entschied das Oberlandesgericht Braunschweig mit seinem Urteil vom 20.03.2019, Az.: 1 W 42/17.
Das OLG hatte zu entscheiden, ob ein von der Erblasserin handgeschriebener quadratischer Notizzettel mit folgenden Worten:
„Wenn sich für mich A… [Vor- und Nachname], geb. … [Geburtsdatum]
einer findet, der für mich aufpasst und nicht ins Heim steckt, der bekommt
mein Haus und alles was ich habe.
A… [Unterschrift]“
ein wirksames Testament darstellt. Nachdem der Ehemann der Erblasserin verstorben war, hatte diese den Entwurf eines notariellen Testaments erstellen lassen, in welchem die vorsorgebevollmächtigte Pflegerin der Erblasserin als Alleinerbin eingesetzt werden sollte. Bevor dieser jedoch beurkundet werden konnte, verstarb die Erblasserin. Dennoch beantrage die Pflegerin mit Hilfe des Testamentsentwurfs und des Notizzettels beim Nachlassgericht einen auf sie als Alleinerbin lautenden Erbschein. Der Antrags wurde mit der Begründung zurückgewiesen, dass weder der Testamentsentwurf, noch der Notizzettel ein formgültiges Testament darstelle. Dagegen erhob die Pflegerin Beschwerde.
Das OLG wies die Beschwerde zurück. Der Testamentsentwurf stelle kein ordentliches Testament dar, da die Urkunde weder von der Erblasserin noch vom Notar unterschrieben wurde und demnach keine formgültige Testierung erfolgt sei. Auch der Notizzettel könne im konkreten Fall nicht als Testament angesehen werden. Grundsätzlich sei es nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches zwar möglich, dass ein vom Erblasser eigenständig geschriebener und unterschriebener Notizzettel oder ein ähnliches Schriftstück seinen letzten Willen enthält und damit ein Testament darstellt, auch wenn das Schriftstück seiner äußeren Form nach nicht eindeutig als Testament erkennbar ist. Jedoch kann es nur dann als letztwillige Verfügung des Erblassers gelten, wenn es auf einem ernstlichen Testierwillen des Betroffenen beruhe. Nach Auffassung des OLG sei dafür zwingend erforderlich, dass außer Zweifel stehe, dass der Erblasser die von ihm erstellte Urkunde als rechtsverbindliche letzte Verfügung angesehen habe oder zumindest das Bewusstsein hatte, die Urkunde könne als Testament angesehen werden. Im vorliegenden Fall konnte ein solcher ernstlicher Testierwille der Erblasserin, an dessen Vorliegen strenge Anforderungen zu stellen sind, nicht festgestellt werden, auch deshalb, weil die Erblasserin bereits in der Vergangenheit gemeinsam mit ihrem Ehemann ein Testament verfasst hatte und ihr daher die üblichen Gepflogenheiten beim Abfassen eines privatschriftlichen Testaments bekannt waren. Auch stehe der Wirksamkeit des „Notizzetteltestaments“ die fehlende Datierung entgegen. Bei Existenz eines anderen Testaments sei der Zeitpunkt der Erstellung deshalb von erheblicher Bedeutung, da mit dem zeitlich später verfassten Testament die vorherigen testamentarischen Ausfertigungen widerrufen werden. Enthält ein eigenhändig errichtetes Testament keine Angaben über die Zeit der Errichtung und ergeben sich hieraus Zweifel über seine Gültigkeit, so ist das Testament nur dann als gültig anzusehen, wenn sich die notwendigen Feststellungen über die Zeit der Errichtung anderweitig treffen lassen. Dies war vorliegend jedoch nicht möglich. Zuletzt erklärte das OLG auch die in dem Zettel liegende letztwillige Verfügung über die Person des Erben für nicht ausreichend bestimmt. Zwar müsse die Person des Erben im Testament nicht namentlich benannt werden. Allerdings sei es notwendig, dass diese zumindest anhand des Inhalts der Verfügung zuverlässig festgestellt werden und jede Willkür eines Dritten ausgeschlossen werden könne. Da die Erblasserin vorliegend durch ihre Formulierung aber nicht nur die Bezeichnung, sondern die gänzliche Bestimmung der Person des Erben einem Dritten überlassen wollte, fehlte es an einem schlüssigen letzten Willen, sodass der Notizzettel auch aus diesem Grund nicht als gültiges Testament angesehen werden durfte.