Verstirbt der Veräußerer nur wenige Wochen, nachdem er sich in einem Grundstückskaufvertrag ein Wohnrecht und eine Pflegeverpflichtung für die Erwerberin ausbedungen hatte, führt nicht zu einem Zahlungsanspruch der Erben zum Ausgleich des durch den frühen Tod gegenstandslos gewordene Wohnrechts und der Pflegeverpflichtung. Dies entschied das Oberlandgericht Frankfurt in seinem Urteil vom 06.05.2019, Az.: 8 W 13/19.
Im Streitfall hatte ein Erblasser drei Wochen vor seinem plötzlichen Tod seiner Nichte seinen gesamten Grundbesitz verkauft. In dem notariellen Kaufvertrag war festgelegt, dass die Nichte dem späteren Erblasser ein lebenslängliches unentgeltliches Wohnrecht einräumt (Jahreswert des Wohnrechts 2.592 Euro) und sich zudem zur Pflege des Erblassers im häuslichen Bereich verpflichtet, solange dies für sie möglich und zumutbar war (Jahreswert ihrer Pflegeleistungen 2.460 Euro). Zur Wohnrechtvereinbarung beinhaltete der Vertrag in § 7 Abs. 2 folgende Klausel:
„Dieses Recht ruht, solange der Verkäufer das übergebende Anwesen, gleich aus welchem Grund, verlassen hat. Geldersatz steht ihm nur zu, wenn der Käufer den Wegzug veranlasst hat, andernfalls werden Ersatzansprüche ausgeschlossen.
Der vereinbarte Kaufpreis von 86.000 Euro reduzierte sich aufgrund der vertraglichen Wohnrechts- und Pflegeregelungen und unter Berücksichtigung einer Grundbuchbelastung auf letztlich 10.000 Euro. Der Eigentumsübergang wurde im Grundbuch eingetragen. Nach dem überraschenden Tod des Erblassers kurz nach Vertragsschluss machte eine Erbin des Erblassers einen Zahlungsanspruch gegen die Nichte geltend. Sie vertrat die Ansicht, der Kaufvertrag sei im Wege ergänzender Vertragsauslegung so zu verstehen, dass die Nichte zur nachträglichen Zahlung der Werte für das nicht genutzte Wohnrecht und die nicht erbrachten Pflegeleistungen verpflichtet sei.
Das Oberlandgericht wies das Begehren der Erbin zurück. Ein Zahlungsanspruch über die bereits von der Nichte geleisteten 10.000 Euro hinaus bestehe nicht, da eine ergänzende Vertragsauslegung nur dann in Betracht komme, wenn der Vertrag eine Regelungslücke aufweise, die geschlossen werden muss, um den Regelungsplan der Parteien zu verwirklichen. Bestünden jedoch verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten zur Ausfüllung einer vertraglichen Regelungslücke, so sei eine ergänzende Vertragsauslegung ausgeschlossen. Im vorliegenden Fall hatten sich beide Parteien gleichermaßen bei Abschluss des Vertrages im Ungewissen darüber befunden, wie lange der Erblasser leben und ob er zu Lebzeiten pflegebedürftig im Sinne des Vertrages werden würde. Die Nichte sei das Risiko eingegangen, dass sie – sofern ihr Onkel sehr alt werde, gleichzeitig aber bald nach Vertragsschluss pflegebedürftig – über einen sehr langen Zeitraum Pflegeleistungen erbringen müsse. Umgekehrt sei ihr Onkel im Gegenzug das Risiko eingegangen, dass er im Fall seines frühen Todes sein Grundstück an die Nichte überlassen habe, obwohl sie ihn nicht pflegen und ein Wohnrecht nur für kurze Zeit habe erdulden müssen. Es sei kein Grund ersichtlich, warum im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung deswegen eingegriffen werden sollte, da sich das Risiko des Erblassers zu einem sehr frühen Zeitpunkt realisiert habe. Im umgekehrten Fall, wenn die Nichte ihren Verpflichtungen eine sehr lange Zeit hätte nachkommen müssen, wäre kein Anlass für eine ergänzende Vertragsauslegung bestanden. Zudem zeige der § 7 Abs.2 des Vertrages, dass die Parteien keine Ersatzansprüche jenseits des dort geregelten Falles wollten. Auch eine Anpassung des Vertrages gem. § 313 BGB komme nicht in Betracht, da beide Vertragsseiten bei Vereinbarung eines lebenslangen Wohnrechts damit rechnen müssten, dass der Berechtigte sein Recht aufgrund von Krankheit oder Pflegebedürftigkeit möglicherweise nicht bis zu seinem Tod ausüben kann. Für den Tod des Berechtigten könne nichts anderes gelten. Gleiches gelte für die Pflegeverpflichtung, denn auch hier müsse jeder Vertragsteil grundsätzlich damit rechnen, dass diese Verpflichtung infolge des Todes des Berechtigten bereits kurze Zeit nach dem Abschluss des Vertrages gegenstandslos werde. Da ein Zahlungsanspruch der Erbin schließlich auch nicht aus landesgesetzlichen Vorschriften hergeleitet werden konnte, blieb ihre Beschwerde daher insgesamt erfolglos.