Auslegung eines Testaments über die Weiterführung eines landwirtschaftlichen Betriebes

Bei der Auslegung eines Testaments gem. §§ 2084, 133 BGB ist zwar vom Wortlaut der Verfügung auszugehen, jedoch ist dieser nicht die Grenze der Auslegung. Vielmehr ist der wirkliche Wille des Erblassers zu erforschen. Es ist nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks festzuhalten, so das Oberlandgericht München in seinem Urteil vom 24.01.2017, Az.: 31 Wx 234/16.

Das Gericht hatte über das eigenhändig verfasste und unterschriebene Testament eines kinderlosen Landwirts mit folgendem Inhalt zu entscheiden:

Im Fall meines plötzlichen Todes bestimme ich, [Erbasser], meinen Bruder zum Alleinerben meines gesamten Besitzes […] sowie des Barvermögens. […]. (Sollte meinem Bruder [Name] etwas zustoßen, ohne dass er hierfür einen Erben bestimmt hat, sollte unter den Kindern meiner Geschwister einmal ein geeigneter Erbe gefunden werden.) Das Anwesen muss auf jeden Fall als Ganzes erhalten bleiben und weitergeführt werden. Meine Geschwister bitte ich in meinem und im Sinne meiner Eltern und Vorfahren um Verständnis. Danke für Eure Hilfe!

Neben dem im Testament bedachten Bruder hatte der Landwirt vier weitere Geschwister. Die Eltern waren bereits verstorben. Nachdem auch der Erblasser verstarb, erteilte das Nachlassgericht dem bedachten Bruder einen Erbschein. Als auch der Bruder schließlich einige Jahre später verstarb, fochte dessen Schwester das Testament wegen Motivirrtums an, um die Unrichtigkeit des erteilten Erbscheins zu erreichen. Das Nachlassgericht ordnete daraufhin die Einziehung des Erbscheins an, da nach seiner Ansicht die Einhaltung und Weiterführung des Betriebe in der Person des bedachten Bruders der bewegende Grund für die Errichtung des Testaments des Erblassers gewesen sei. Dieser habe jedoch die landwirtschaftlichen Flächen überwiegend an andere Landwirte verpachtet und nicht selber bewirtschaftet, worin ein Anfechtungsgrund nach § 2078 BGB liege. Die anderen Geschwister des Erblassers erhoben dagegen Beschwerde.

Das Oberlandgericht gab der Beschwerde statt. Zwar sei die vom Nachlassgericht vorgenommene Auslegung der letztwilligen Verfügung des Landwirtes durchaus möglich. Dennoch sei es naheliegender, dass der Beweggrund der Testierung zwar der Erhalt und Weiterbetrieb des landwirtschaftlichen Anwesens gewesen sei, aber dies nicht zwingend durch den Bedachten persönlich erfolgen sollte. Dafür sprächen nicht nur einige Formulierung im Testament selbst, sondern auch das eigene Handeln des Landwirtes nach seiner Testamentserrichtung. Aus den Formulierungen „Meine Geschwister bitte ich in meinem und im Sinne meiner Eltern und Vorfahren um Verständnis“ und „Das Anwesen muss auf jeden Fall als Ganzes erhalten bleiben…“ spreche,  dass es dem Erblasser beim Verfassen des Testaments nicht ausschließlich darum ging, eine Person zu bedenken, sondern die Hofstelle als Ganzes zu erhalten und im Falle des Eintritts der gesetzlichen Erbfolge aufgrund möglicher Unwirksamkeit der Verfügung eine Zerschlagung der Hofstelle mitsamt des landwirtschaftlichen Betriebes zu verhindern. Insbesondere die Bezugnahme auf die Eltern und Vorfahren, von denen der Landwirt den Hof übertragen bekam, zeige, dass es ihm hauptsächlich in dieser Tradition um den Zusammenhalt der Hofstelle und nicht so sehr darum ging, wem diese Sachgesamtheit letztlich zufallen soll. Dies werde zudem durch das eigene Handeln des Landwirtes nach Testamentserrichtung gestützt, da er selbst den landwirtschaftlichen Betrieb in den letzten sieben Jahren vor seinem Tod an andere Landwirte verpachtet hatte. Dieser Umstand sei ein Indiz für den eigentlichen Willen, die Hofstelle als solche zu erhalten und somit in erster Linie objektbezogen zu testieren. Der persönliche Weiterbetrieb durch den alleinerbenden Bruder des Erblassers sei aus diesem Grund nicht zweifelsfrei der bewegende Grund für die Erbeinsetzung gewesen, so dass ein Anfechtungsgrund im Sinne des § 2078 BGB nicht vorliege.

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