Zur Frage des entscheidungserheblichen Zeitpunkts im Rahmen tierschutzrechtlicher Anordnungen

Für den Erfolg einer Klage gegen tierschutzrechtliche Anordnungen, die sich auf § 16a Abs. 1 S. 1 und S. 2 Nr. 1 TierSchG i.V.m. § 2 TierSchG stützen, kommt es maßgeblich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung an. Dies entschied das Oberverwaltungsgericht Lüneburg in seinem Beschluss vom 29.11.2019.

Eine Gesellschafterin, die zusammen mit ihrem Sohn eine GbR zum Zwecke der Haltung landwirtschaftlicher Nutztierarten, insbesondere im Bereich der Geflügelmast, betreibt, hatte sich in dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall gegen eine tierschutzrechtliche Anordnung gewandt. Nachdem die beklagte Behörde vom Landkreis die Mitteilung erhalten hatte, dass im Rahmen ihrer Schlachttier- und Fleischuntersuchung bei den geschlachteten Hähnchen der GbR der Klägerin Auffälligkeiten hinsichtlich der Fußballengesundheit der Tiere festgestellt wurden, veranlasste die Behörde mehrere aufeinanderfolgende amtstierärztliche Betriebskontrollen. Im Rahmen dieser Kontrollen wurden wiederholt Mängel in Bezug auf die Einstreuqualität in den Ställen festgestellt. Die Einstreu war trocken, nicht locker und nicht für das Picken, Scharren und Staubbaden geeignet. Sie entsprach nicht den gesetzlichen Anforderungen. Obwohl der Betrieb daraufhin mehrere Maßnahmen ergriff, um eine trockenere Einstreu in den Ställen zu erreichen und damit die Gesundheit der Tiere zu verbessern, zeigten sich die Mängel auch bei den Kontrollen in den Folgemonaten. Daraufhin erließ die Behörde einen Bescheid, mit dem der Landwirtin das Halten von Hühnern ohne ständigen Zugang zu Einstreu, die nicht ständig trocken und locker sowie nicht zum Picken, Scharren und Staubbaden geeignet ist, untersagt wurde. Ferner hatte die Behörde angeordnet, dass die Einstreu jederzeit in dem Umfang vorhanden sein müsse, dass alle gehaltenen Hühner gleichzeitig Zugang hierzu haben. Dagegen erhob die Hühnerhalterin Klage. Zum einen sei sie als ein Mitglied der GbR, das sich ausschließlich um das Geschäftliche und nicht um den Betrieb der Mastställe kümmere, nicht als Halterin der betroffenen Tiere anzusehen und damit nicht die richtige Adressatin des Bescheids. Zum anderen sie nicht berücksichtigt worden, dass seit der ersten Betriebskontrolle bereits umfangreiche technische Maßnahmen zur Verbesserung der Einstreuqualität vorgenommen wurden und demnach mittlerweile kein Bedürfnis mehr für den Fortbestand der behördlichen Verfügung bestehe.

Das Oberverwaltungsgericht folgte dieser Auffassung nicht und wies die Klage ab. Die Behörde sei gemäß § 16a Abs. 1 S. 1 und S. 2 Nr. 1 TierSchG i.V.m. § 2 TierSchG zum Erlass der streitgegenständlichen Anordnung berechtigt gewesen. Gemäß § 2 Nr. 1 und Nr. 2 TierSchG müsse derjenige, der ein Tier hält, das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen. Er dürfe die Möglichkeit des Tieres zur artgemäßen Bewegung nicht so einschränken, dass ihm Schmerzen, vermeidbare Leider oder Schäden zugefügt werden. Der Behörde obliege dabei die Verhütung von künftigen Verstößen gegen diese Vorschrift. Dafür habe sie im Rahmen einer Gefahrenprognose die Wahrscheinlichkeit von künftig eintretenden tierschutzwidrigen Zuständen zu ermitteln. Sei eine entsprechende Gefahr zu bejahen, sei sie auch zum Erlass „notwendiger Anordnungen“ gemäß § 16a Abs. 1 TierSchG ermächtigt. Insbesondere komme es , so das Gericht, hinsichtlich der zu treffenden Gefahrenprognose auch nur auf den Sach- und Erkenntnisstand in dem Zeitpunkt an, in dem die Maßnahme – hier der Bescheid – getroffen bzw. erlassen wurde. Wie sich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der (späteren) gerichtlichen Entscheidung darstellt, sei hingegen irrelevant. Dafür spreche schon den Zweck des Tierschutzgesetzes sowie der Gesichtspunkt der Effektivität der Verhinderung von tierschutzwidrigen Zuständen. Denn würde man auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abstellen, so könnte sich der Adressat einer tierschutzrechtlichen Anordnung durch vorübergehende Anpassung der Tierhaltung einer Durchsetzung der Anordnung entziehen. Demzufolge waren die Anforderungen, die § 2 TierSchG an die Halter von Tieren stellt, im vorliegenden Fall nicht erfüllt, wie die Vor-Ort-Kontrollen hinreichend zeigten. Ferner sei die Gesellschafterin auch „Halterin“ und damit die richtige Bescheidsadressatin gewesen. Denn Halter eines Tieres sei, wer die tatsächliche Bestimmungsmacht über das Tier im eigenen Interesse und nicht nur ganz vorübergehend ausübt. Diesbezüglich sei darauf abzustellen, in wessen Haushalt oder Betrieb das Tier gehalten werde, wem die Bestimmungsmacht über das Tier zustehe und wer aus eigenem Interesse für die Kosten des Tieres aufkomme. Insbesondere können auch mehrere Personen nebeneinander Halter sein. Vorliegend betreibe die Klägerin gemeinsam mit ihrem Sohn die GbR und sei mit 75% am Gewinn bzw. Verlust der Gesellschaft beteiligt. Daraus ließe sich schlussfolgern, dass ihr auch die Bestimmungsmacht über das Tier zustehe und dass sie aus eigenem Interesse in erheblichem Umfang auch für die Kosten der Tiere aufkomme sowie wirtschaftlichen Nutzen aus ihnen ziehe. Dass die Gesellschafterin ausschließlich in der kaufmännischen Buchführung und als Kapitalgeberin tätig sei, rechtfertige keine andere Beurteilung. Insgesamt sei der Bescheid daher rechtmäßig erlassen worden.

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