Die Haftung für ein Tier, das einen Schaden verursacht hat, kann unter Umständen auch unabhängig von dem Eigentum an dem Tier gegeben sein, wenn es dauerhaft von einem Nicht-Eigentümer in Obhut genommen wurde. Auch in einem solchen Fall kann die Tierhaltereigenschaft im Sinne des § 833 BGB gegeben sein, so das Oberlandesgericht Köln in seinem Urteil vom 07.02.2018 – Az.: 5 U 128/16.
Die Eigentümerin zweier Pferde hatte ihre Tiere bei einem Landwirt untergestellt. Als diese das vereinbarte Entgelt nicht zahlte, überließ der Landwirt die Tiere dem Ehemann der späteren Geschädigten. Beide Tiere wurden auf einer Pferdepension untergebracht. Die Beteiligten vereinbarten eine monatliche Einstellgebühr von 50,00 €. Allen war bekannt, dass die Tiereigentümerin hiervon keine Kenntnis hatte. Dennoch nahm der Pensionsbetreiber beide Pferde in seine Obhut. Als die Kläger im Februar 2014 mit der Tochter des Pensionsbetreibers einen Spaziergang mit beiden Pferden unternahmen, kam es zu einem Unfall. Die Tochter des Betreibers, die eines der Pferde führte und mit ihm vorauslief, konnte das Tier nicht halten, als es aufgrund eines Joggers scheute und zurück in Richtung Hof laufen wollte. Beim Versuch weg zu laufen, stieß das flüchtende Tier das zweite Pferd, welches von der Klägerin direkt hinter im geführt wurde, um. Das zweite Pferd stürzte auf die Klägerin. Die Klägerin erlitt schwere Verletzungen, die einen einmonatigen Krankenhausaufenthalt und eine anschließende Rehabilitationsbehandlungen erforderten. Die Klägerin machte mit der Klage Schmerzensgeld und Schadenersatzansprüche gegenüber dem beklagten Pferdepensionsbetreiber geltend.
Das Oberlandesgericht Köln vertrat in seiner Entscheidung die Auffassung, dass der Betreiber für das unfallverursachende Pferd gemäß § 833 BGB haften müsse, da er zum Zeitpunkt des Unfalls Halter des Pferdes war. Zur Begründung verwies das Gericht auf die höchstrichterlichen Rechtsprechung, nach der ein Halter derjenige ist, in wessen Gesamtinteresse das Tier gehalten wird und dessen Wirtschaftsbetrieb oder Haushalt es dient. Für die Tierhaltereigenschaft sei maßgeblich darauf abzustellen, wem die Bestimmungsmacht über das Tier zustehe und wer aus eigenem Interesse für die Kosten des Tieres aufkomme. Ferner darauf, wer den allgemeinen Wert und Nutzen des Tieres für sich in Anspruch nehme und das Risiko seines Verlustes trage. Auf das Eigentum an dem Tier komme es hingegen für die Bestimmung der Tierhaltereigenschaft nicht an. Dies könne lediglich ein Indiz darstellen. Dem Beklagten habe seit der Verbringung der Tiere auf seinen Hof die Bestimmungsmacht für die Tiere zugestanden. Dadurch habe er auf Dauer Eigenbesitz an den Tieren erlangt. Zudem habe der Beklagte eingeräumt, dass das Pferd auf seinem Betrieb als Reit- oder Kutschpferd eingesetzt werden sollte, weshalb er im eigenen Interesse für die Kosten des Tieres aufkam. Nach § 833 S. 2 BGB kann sich ein Tierhalter entlasten, wenn der Schaden durch ein Haustier verursacht wird, das dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters dient und der Schaden entstanden ist, obwohl der Tierhalter bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet hat. Nach Ansicht des Gerichts könne diese Entlastungsmöglichkeit bei „potentiell doppelfunktionalen“ Tieren wie Pferden nicht ausnahmslos greifen. Erfüllt das Tier verschiedenen Funktionen, von denen einige dem Erwerb, andere aber der Freizeitgestaltung dienen, so sei für die Nutztiereigenschaft im Sinne des § 833 S. 2 BGB auf die hauptsächliche Zweckbestimmung abzustellen. Da das Pferd im vorliegenden Fall hauptsächlich als Reittier für die Tochter des Pensionbetreibers bestimmt und zum Zeitpunkt des Unfalls auch noch gar nicht als Reit- oder Kutschpferd im Hinblick auf ein etwaiges Erwerbsstreben ausgebildet war, verneinte das Gericht die Nutztiereigenschaft des Pferdes. Eine Haftung sei auch nicht bereits aus dem Grund ausgeschlossen, dass die Geschädigte mit dem Führen ihres Pferdes auf eigene Gefahr handelte. Dieser Ausschlussgrund könne nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht kommen. Durch das Scheuen und Davonlaufen des Pferdes habe sich auch eine typische Tiergefahr verwirklicht. Ohne das Zurückgaloppieren des Pferdes wäre es nicht zum Zusammenstoß der Pferde und zu dem Sturz des anderen Pferdes auf die Geschädigte gekommen. Die Geschädigte müsse sich allerdings als Mithalterin die von ihrem Pferd ausgehende Tiergefahr zurechnen lassen. Diese sei für den Unfall ebenfalls mitursächlich gewesen. Den Anspruch der Klägerin auf Schadensersatz und Schmerzensgeld kürzte das Gericht entsprechend dem Mitverschulden um ein Viertel.