Gebührenabschläge zur Schonung von kleinen und mittelständischen Betrieben sind gerechtfertigt, wenn die Gebühren von vornherein nicht vollkostendeckend kalkuliert werden und die Gebührensätze für die Betroffenen, die nicht in den Genuss der Vergünstigung kommen, rechnerisch nicht über eine Kostendeckung hinausgehen. Das entschied das Oberverwaltungsgericht Lüneburg in seinem Urteil vom 04.12.2019, Az.: 10 LC 261/17.
Die Betreiberin einer Legehennenhaltungsanlage mit angegliederter Packstelle für Eier hatte sich gegen den ihr auferlegten Gebührenbescheid für die Kontrolle ihres Betriebes gewandt. Die Behörde setzte gegen sie Gebühren in Höhe von 808,00 € fest und stützte dies auf die §§ 1, 3, 5 und 13 des Niedersächsischen Verwaltungskostengesetzes (NVwKostG) i.V.m. § 1 der Gebührenordnung für die Verwaltung im Bereich des Verbraucherschutzes und Veterinärwesens (GOVV) nebst Kostentarifen. Gegen den Gebührenbescheid erhob die Landwirtin Klage. Für eine behördliche Regelkontrolle nach dem Marktüberwachungsrecht dürften aus verfassungsrechtlichen Gründen keine Gebühren erhoben werden. Zudem läge ein Verstoß gegen das verfassungsrechtlich verankerte Äquivalenzprinzip vor, wonach die Höhe der Gebühren nicht in einem groben Missverhältnis zu der behördlichen Leistung stehen dürfe. Nachdem das Verwaltungsgericht den streitgegenständlichen Bescheid in Höhe von 235,00 € aufhob, die Klage im Übrigen aber abwies, ging Landwirtin in Berufung.
Ohne Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht schloss sich der Auffassung des Verwaltungsgerichts an und erklärte den Bescheid zumindest in Höhe von 562,50 € für rechtmäßig. Er stütze sich auf die Rechtsgrundlage der §§ 1 Nr. 1f), 3 Abs. 2 i.V.m. Nrn. XIII.1.2.3.1.5 und XIII.1.2.3.2.2.4 der Anlage zu § 1 GOVV sowie auf § 13 NVwKostG. Hinsichtlich der Entscheidung, welche individuell zurechenbare öffentliche Leistung der Gebührenpflicht unterworfen werden soll und welche Gebührenmaßstäbe und Gebührensätze hierfür aufzustellen sind, habe der Gebührengesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum. Erforderlich sei jedoch in jedem Fall, dass die gebührenpflichtige Leistung an eine besondere Verantwortlichkeit der in Anspruch genommenen Person anknüpft. Dies sei vorliegend der Fall. Denn Veranlasser im gebührenrechtlichen Sinn sei nicht nur derjenige, der die Amtshandlung willentlich herbeiführt, sondern auch derjenige, in dessen Pflichtenkreis sie erfolgt. Gerade im Fall amtlicher Fleischhygienekontrollen werde eine Gebührenpflicht auch insbesondere dann ausgelöst, wenn es sich um Routineüberprüfungen handele. Da die Klägerin Eier erzeuge und verpacke, hätten vorliegend gemäß Art. 24 Abs. 2 S. 1 VO (EG) Nr. 589/2008 Kontrolldienste diese Erzeugnisse auf allen Stufen der Vermarktung anhand von Stichproben sowie auf Grundlage einer Risikoanalyse zu kontrollieren. Die hierfür erforderlichen Kontrollen knüpfen an die Verantwortlichkeit der Landwirtin als Marktteilnehmerin an und sind ihr daher in individualisierbarere Weise zurechenbar. Denn derjenige, der – wie die Klägerin – ein Produkt in den Verkehr bringe oder dies beabsichtige, geben Anlass für eine Kontrolle nach dem Marktüberwachungsrecht. Er schaffe dadurch den Tatbestand, der eine Überwachung erforderlich mache und setze damit die Grundlage für die individuelle Zurechenbarkeit und kostenrechtliche Verantwortlichkeit. Zudem läge in der Gebührenerhebung weder ein Verstoß gegen das Kostendeckungsprinzip noch gegen das Äquivalenzprinzip, wie es die Landwirten rügte. Eine Verletzung gegen das Kostendeckungsprinzip könne nach höchstrichterlicher Rechtsprechung allenfalls dann zu einer Aufhebung angefochtener Gebührenbescheide führen, wenn die Gebühreneinnahmen die besonderen öffentlichen Aufwendungen erheblich übersteigen. Dies sei im konkreten Fall jedoch nicht ersichtlich. Hinsichtlich eines Verstoßes gegen das Äquivalenzprinzip müsse dagegen beachtete werden, dass bei „negativen“ Amtshandlungen, wie etwa belastenden Bescheiden oder Handlungen, das Äquivalenzprinzip im Sinne der Bemessung der Gebühr nach einem „positiven“ Wert des Gegenstandes der Amtshandlung für den Betroffenen ohnehin nicht anwendbar sei, weil diesen Amtshandlungen kein solcher Wert zugeordnet werden könne. Dies gelte auch für die hier in Rede stehenden gebührenpflichtigen planmäßigen Routinekontrollen. Lediglich die von der Behörde angesetzte Höhe der Gebühren sei rechtswidrig, da sie nicht auf einer rechtlichen Grundlage beruhe. Eine Festsetzung einer nach dem Ermessen der Verwaltung bemessenen und nicht in der Gebührenordnung enthaltenen Gebühr sei unrechtmäßig.