Jäger, die einen Jagdschein in Form eines sog. „Begehungsschein“ besitzen, sind sowohl bei der Jagdausübung als auch bei Tätigkeiten, die der Jagdausübung unmittelbar sachlich zuzuordnen sind, als sog. Jagdgäste nicht nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII gesetzlich unfallversichert. Daher besteht auch im Falle eines Wildunfalls bei der Hin- oder Rückfahrt zur und von der Jagdausübung kein Entschädigungsanspruch des Begehungsschein-Inhabers gegenüber seiner Versicherung, so das Sozialgericht Landshut in seinem Urteil vom 05.02.2020, Az.: S 15 U 5006/19.
Ein Jäger war Inhaber eines sog. „Begehungsscheins“. Nach einer Jagd kollidierte er nachts mit seinem Auto auf den Heimfahrt auf der Gemeindestraße des Gemeinschaftsjagdreviers mit einem Dachs, der die Straße überquerte. Bei dem Versuch den angefahrenen und noch lebenden Dachs 25 Minuten nach dem Unfallgeschehen von der Straße zu räumen, biss das Tier den Jäger in den rechten Daumen. Der Biss verursachte eine Abrissfraktur an der Grundgliedbasis des rechten Daumens. Der Jäger begehrte von seiner Versicherung neben der Anerkennung des Wildunfalls als Versicherungsfalls auch die hieraus resultierenden Leistungen und Entschädigungen. Die Versicherung verneinte die Regulierungspflicht. Zum Zeitpunkt des Unfalls sei der Versicherungsnehmer als Begehungsschein-Inhaber auf der Jagd gewesen und daher gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII versicherungsfrei. Der Widerspruch gegen die ablehnende Entscheidung hatte keinen Erfolg, so dass der Jäger Klage vor dem Sozialgericht erhob. Seiner Ansicht nach sei eine Versicherungsfreiheit nicht gegeben. Auch Begehungsscheininhaber seien gesetzlich unfallversichert, wenn sie in Abstimmung mit dem Revierinhaber bzw. Jagdpächter Arbeiten ausführten, die im Wesentlichen dem Jagdunternehmen und nicht dem eigenen Interesse als Begehungsschein-Inhaber dienen würden. Vorliegend habe er aber gerade mit dem Räumen des verletzten Dachses keine Eigeninteressen verfolgt, sondern er sei damit einer Verkehrssicherungspflicht nachgekommen, die eigentlich der Kommune oder dem Jagdpächter oblegen hätte.
Das angerufenen Gericht folgte dieser Auffassung nicht. Zwar träfe es zu, dass eine Ausnahme von der gesetzlichen Versicherungsfreiheit bei Unfällen während Arbeiten, die wesentlich dem Jagdunternehmen und nicht dem eigenen Interesse des Begehungsschein-Inhabers dienen, vorliegt. Dies sei im zu entscheidenden Fall jedoch nicht der Fall. Das primäre Handlungsziel des Jägers im Moment des Entfernen des Dachses von der Straße sei die Beseitigung von Gefahren für weitere Verkehrsteilnehmer gewesen. Bei dieser Handlung handele es sich eindeutig nicht um eine Jagdausübung im Sinne von § 1 Abs. 4 BJagdG, also das gezielte Aufsuchen, Nachstellen, Erlegen und Fangen von Wild. Vordergründig sei der Jäger damit vielmehr seiner „allgemeinen Verkehrssicherungspflicht“ nachgekommen, die jedem Verkehrsteilnehmer obliegt, der einen Wildunfall erleide, gleich ob Jagdscheininhaber sei oder nicht. Zudem mache sich derjenige, der gegen eine solche „allgemeine Verkehrssicherungspflicht“ verstoße, nach dem Recht der unerlaubten Handlung des Bürgerlichen Gesetzbuches (§§ 823 ff. BGB) schadensersatzpflichtig. Der Kläger habe daher mit dem Wegräumen des Dachses von der Straße primär eigene Interessen verfolgt. Auch träte die besondere Pflicht eines Jagdschein-Inhabers, ein verletztes Wild von seinen Schmerzen oder Leiden zu erlösen (vgl. § 22a BJagdG), gegenüber der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht in den Hintergrund, zumal die Tatsache, dass der Jäger nach Anfahren des Tieres dieses zunächst 25 Minuten im Todeskampf liegen ließ, ohnehin dafür spreche, dass dieses Pflicht kein nennenswertes Handlungsmotiv des Klägers gewesen sei. Das Gericht verneinte, dass die Handlung des Jägers im Unfallzeitpunkt dazu gedient habe, stellvertretend die dem Jagdpächter obliegenden Pflichten durchzuführen. Zwar gehöre es zu den Pflichten eines Jagdpächters, dass er dann, wenn er nach einem Wildunfall entweder von dem Verursacher oder der Polizei gerufen wird, das verletzte Wild zu erlösen und zu beseitigen, jedoch wurde der Kläger vorliegend gerade nicht zu einem von einem Dritten verursachten Wildunfall gerufen. Er wollte vielmehr den Dachs aufgrund der von ihm selbst herbeigeführten Gefahr von der Straße schaffen. Er habe daher vorrangig in Ausübung seiner eigenen Verkehrssicherungspflicht gehandelt und nicht im Auftrag des Jagdpächters. Das Sozialgericht wies die Klage des Jägers daher ab.