Erbauseinandersetzungen, in denen es um Fälle des gleichzeitigen oder eines in kurzer zeitlicher Abfolge stattfindenden Versterbens von Ehepartnern geht, sind häufig Anlass von Rechtsstreitigkeiten. Auch das Oberlandesgericht München hatte in seinem Beschluss vom 01.12.2021, Az: 31 Wx 314/19, wieder über eine solche Fallkonstellation des gleichzeitigen Versterbens und unterschiedlicher Testamentsregelungen zu entscheiden. Diesmal sorgte die von Ehegatten in ihrem gemeinschaftlichen Testament verwendete Klausel „Bei einem gemeinsamen Tode z.B. Unfall, fällt der gesamte Nachlass an unsere Nichte …“ für Unstimmigkeiten in der Familie.
In dem vom Gericht zu entscheidenden Fall hatte ein kinderloses Ehepaar im Jahr 1992 ein gemeinschaftliches Testament errichtet, in welchem sich die Eheleute gegenseitig als Alleinerben eingesetzt hatten. Der überlebende Ehegatte sollte, so das Testament, den Nacherben allein bestimmen dürfen. Für den Fall eines gemeinsamen Todes z.B. durch einen Unfall, war die Nichte der Eheleute als Erbin des gesamten Nachlasses bestimmt worden. Neben dem Testament aus dem Jahr 1992 existierte ein nur vom Ehemann allein unterzeichnetes Testament aus dem Jahr 2012. In diesem erklärte er im Namen beider Eheleute das hinterlegte Testament aus dem Jahr 1992 für ungültig. Des Weiteren enthielt es seine Ankündigung ein neues Testament zu schreiben. Dieses solle sodann gelten. Ein weiteres Testament wurde dann jedoch nie geschrieben. Als der Ehemann verstarb, erteilte das Nachlassgericht der Ehefrau einen Alleinerbschein zu ihren Gunsten. Die Ehefrau verstarb 10 Tage nach ihrem Ehemann. Nach ihrem Tod beantragte die gemeinsame Nichte der Ehegatten auf Basis des gemeinsamen Testaments aus dem Jahr 1992 ebenfalls einen Alleinerbschein. Dieser wurde ihr vom Nachlassgericht auch erteilt. Gegen diese Entscheidung legten die gesetzlichen Erben der Erblasserin Beschwerde ein.
Ohne Erfolg. Auch das Oberlandesgericht gelang zu dem Ergebnis, dass die Nichte aufgrund des gemeinschaftlichen Testaments der Ehegatten Alleinerbin der Erblasserin geworden ist. Maßgeblich sei der Wille der Erblasserin und ihres vorverstorbenen Ehemannes zum Zeitpunkt der gemeinsamen Testamentserrichtung. Im Rahmen der erläuternden Auslegung sei die Klausel „Bei einem gemeinsamen Tode z.B. Unfall fällt der gesamte Nachlass an unsere Nichte …“ als Erbeinsetzung zugunsten der Nichte zu verstehen. Dies gelte auch für den Fall, dass der überlebende Ehegatte nach dem Tod des Vorversterbenden nicht mehr in der Lage sei eine weitere letztwillige Verfügung von Todes wegen zu errichten. Die Eheleute hätten mit der Formulierung „der überlebende Ehegatte bestimmt den ‚Nacherben‘ “gerade keine Anordnung für den Fall des Todes des überlebenden Ehegatten getroffen, sondern vielmehr eine Regelung der Erbfolge, welche nach dem Ableben des überlebenden Ehegatten bewusst offen gelassen sei. Damit sei der Fall des Ablebens des überlebenden Ehegatten ungeregelt geblieben. Folge ist, dass nach dem überlebenden Ehegatten die gesetzliche Erbfolge eintritt, sofern der überlebende Ehegatte keine weitere letztwillige Verfügung errichtet hat. Da im vom Gericht zu entscheidenden Fall die Eheleute den Fall des Nacheinanderversterbens bewusst nicht geregelt hatten, musste die im gemeinsamen Testament getroffene Formulierung „bei einem gemeinsamen Tode“ ausgelegt werden. Dabei kommt es maßgeblich auf den wirklichen Willen des Erblassers an und damit auf die Vorstellung, die die Ehegatten im Zeitpunkt der Testamentserrichtung mit der von ihnen gewählten Formulierung hatten. Die Nennung des „Unfalls“ lasse darauf schließen, dass die Eheleute in ihrem Testament den Fall des zeitgleichen Versterbens gemeint haben. Es sei davon auszugehen, dass der Fall eines zeitgleichen Nacheinanderversterbens unter der Prämisse, dass der überlebende Ehegatte nicht mehr in der Lage sei eine weitere letztwillige Verfügung von Todes wegen zu errichten, ebenfalls gemeint gewesen sei. Ob ein solcher Fall des nicht mehr testieren Könnens, zum Beispiel aufgrund einer stark vorangegangenen Demenz vorliege, müsse im Einzelfall anhand der konkreten Lebenssituation festgestellt werden. Im vorliegenden Fall war die überlebende Erblasserin bereits über vier Jahre vor ihrem Ableben an einem schweren hirnorganischen Psychosyndrom und einer senilen Demenz erkrankt. Sie war damit nicht mehr in der Lage eine weitere letztwillige Verfügung von Todes wegen zu errichten. Insofern blieb es bei der Bindungswirkung des gemeinsam errichteten Testaments aus dem Jahre 1992, in dem die Eheleute die Nichte zur Schlusserbin einsetzten.
Dieser Fall zeigt, dass der Gestaltung von gemeinsamen, wechselbezüglichen Testamenten besondere Aufmerksamkeit auch in ihrer Formulierung geschenkt werden sollte, um spätere Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden und sicherzustellen, dass der eigene Wille tatsächlich auch umgesetzt wird.